Nur wenige Wochen vor der Bundestagswahl 2025 sorgt eine bemerkenswerte Aussage für Aufsehen: „Viele unserer schwulen Freunde wählen AfD“, sagen Marcel und David, zwei junge schwule Männer, die sich offen zu ihrer Unterstützung der Partei bekennen. Ihre Beweggründe und die zunehmende Unterstützung der AfD unter jungen Menschen werfen Fragen auf – auch innerhalb der LGBTQ+-Community.
Widersprüche und Prioritäten: Warum die „Ehe für alle“ nicht entscheidend ist
Marcel und David leben seit Jahren in einer gleichgeschlechtlichen Ehe, doch die Haltung der AfD zur „Ehe für alle“ scheint für sie nebensächlich. Die Partei hatte 2018 einen Antrag gegen die Eheöffnung eingebracht, doch Marcel glaubt nicht, dass dies ein zentrales Thema der AfD wäre, sollte sie in Regierungsverantwortung kommen. „Die AfD ist von Grund auf eine freiheitliche Partei, die die Meinungsfreiheit groß schreibt und Sexualität als Privatsache ansieht“, sagt er.
Selbst die Möglichkeit, dass die AfD die „Ehe für alle“ wieder abschaffen könnte, scheint Marcel nicht zu beunruhigen: „Das würde nichts daran ändern, dass wir zusammen sind. Unsere Prioritäten liegen woanders.“
Sicherheit und Migration: Der zentrale Fokus
Der Hauptgrund für ihre Wahlentscheidung liegt nach eigener Aussage in den Themen Sicherheit und Migration. David beschreibt seine persönlichen Erfahrungen mit Gewalt in Berlin: „Ich fühle mich nicht sicher, wenn ich abends rausgehe. Ich wurde noch nie von Rechten oder Deutschen angegriffen, dafür aber von Arabern, Türken und Flüchtlingen.“ Er sieht in der AfD die einzige Partei, die die Migrationspolitik effektiv angehen würde.
Auch die Forderung der AfD, Sozialleistungen für nicht aufenthaltsberechtigte Migranten zu streichen und Rückführungen zu forcieren, stößt bei David auf Zustimmung. Er betont, dass es dabei nicht um Ausländerfeindlichkeit gehe: „Die AfD ist nicht ausländerfeindlich, sondern für eine Zuwanderung von Fachkräften. Herkunft spielt keine Rolle, solange sich die Menschen integrieren und an Recht und Gesetz halten.“
Kritik an der AfD: Extremismus und Verfassungsschutz
Trotz der kontroversen Aussagen und rechtsextremen Tendenzen innerhalb der AfD, wie sie beispielsweise im Verfassungsschutzbericht erwähnt werden, sehen Marcel und David die Partei nicht als extremistisch. Marcel kritisiert die Neutralität des Verfassungsschutzes: „Das ist ein parteigeführtes Ministerium und keine unabhängige Instanz wie das Verfassungsgericht.“ Für ihn sind die Vorwürfe gegen die AfD politisch motiviert.
Auch prominente Kritik, wie die von Hape Kerkeling, der AfD-Mitglieder als „Idioten“ bezeichnet hat, beeindruckt die beiden nicht. „Wenn wir irgendwann echte Anhaltspunkte für Extremismus sehen, würden wir unsere Meinung ändern“, sagt Marcel. Doch aktuell gebe es diese nicht.
Die Gefahr eines einseitigen Fokus: Warum Vorsicht geboten ist
Die Entscheidung von Marcel und David spiegelt eine Realität wider, die viele überrascht: Auch innerhalb der LGBTQ+-Community gibt es Unterstützung für die AfD. Doch diese Unterstützung birgt Risiken, die nicht ignoriert werden sollten.
Die AfD hat in der Vergangenheit mehrfach gezeigt, dass sie LGBTQ+-Rechte nicht als politisches Ziel unterstützt, sondern eher als Zugeständnis behandelt. Forderungen wie die Abschaffung der „Ehe für alle“ könnten unter einer AfD-geführten Regierung Realität werden – auch wenn sie aktuell nicht im Fokus stehen. Zudem gibt es innerhalb der Partei rechtsextreme Strömungen, die offen queerfeindlich sind. Diese Entwicklung könnte nicht nur gesetzliche Errungenschaften gefährden, sondern auch ein gesellschaftliches Klima schaffen, das LGBTQ+-Menschen weiter marginalisiert.
Fazit
Marcel und David sind Beispiele dafür, wie persönliche Erfahrungen und Prioritäten politische Entscheidungen beeinflussen können. Doch für schwule Wähler und die LGBTQ+-Community im Allgemeinen bleibt Vorsicht geboten. Die AfD hat sich in der Vergangenheit wiederholt gegen LGBTQ+-Rechte positioniert, und ihre rechtsextremen Tendenzen sind dokumentiert. Die Wahl einer solchen Partei könnte Errungenschaften gefährden, die hart erkämpft wurden. Es ist wichtig, sich kritisch mit der gesamten Programmatik und den potenziellen Konsequenzen auseinanderzusetzen – auch wenn einzelne Themen, wie Sicherheit und Migration, im Vordergrund stehen.