Herausforderungen bisexueller Menschen – Bisexualität: Eine Identität, die oft zwischen den Stühlen sitzt
Bisexualität ist eine Identität, die immer wieder übersehen wird – sowohl in der heteronormativen Gesellschaft als auch innerhalb der LGBTQ+-Community. Der Begriff „Bi-Erasure“, das systematische Ignorieren oder Leugnen bisexueller Identität, beschreibt ein Problem, das bis heute tief verankert ist. Und dabei zeigt die Statistik: Ein erheblicher Teil der queeren Menschen identifiziert sich als bisexuell. Laut einer Umfrage des Pew Research Center gehören etwa 40 Prozent der LGBTQ+-Community zu dieser Gruppe. Trotzdem kämpfen viele bisexuelle Menschen mit Vorurteilen, Missverständnissen und dem Gefühl, isoliert zu sein.
Zwischen zwei Welten: Die doppelte Herausforderung
Bisexuelle Menschen erleben häufig, dass sie in zwei Welten nicht wirklich dazugehören. In heterosexuellen Kreisen wird ihre Sexualität oft als „Phase“ oder „Unentschlossenheit“ abgetan. Gleichzeitig begegnen sie innerhalb der queeren Community nicht selten Skepsis oder sogar Misstrauen. Beziehungen zu andersgeschlechtlichen Partner*innen werden mitunter als „privilegiert“ angesehen, was viele dazu bringt, ihre Identität zu verschweigen oder zurückzustellen.
Diese Erfahrungen führen dazu, dass bisexuelle Menschen sich oft gezwungen fühlen, ihre Identität zu erklären oder zu rechtfertigen – ein Kraftakt, der an die Substanz geht.
Einblick in die Realität: Jonas’ Geschichte
Jonas, ein 25-jähriger bisexueller Fußballer aus der Kreisliga, kennt dieses Spannungsfeld nur zu gut. Obwohl er aktiv in der LGBTQ+-Community ist, wird er oft mit Vorurteilen konfrontiert – nicht zuletzt, weil er derzeit in einer Beziehung mit einer Frau lebt. Im Gespräch teilt Jonas offen seine Gedanken und Erfahrungen.
Interview mit Jonas: Zwischen Akzeptanz und Anpassung
GayCrew.de: Jonas, danke, dass du mit uns sprichst. Wie hast du deine Bisexualität für dich entdeckt?
Jonas: Das war ein längerer Weg. Mit 17 habe ich mich das erste Mal in einen Jungen verliebt – das hat mich ziemlich durcheinandergebracht. Bis dahin hatte ich nur Beziehungen mit Mädchen, und ich dachte, das sei „normal“. Erst später, als ich mich mehr mit LGBTQ+-Themen beschäftigt habe, wurde mir klar: Ich bin bisexuell.
GayCrew.de: Wie hat dein Umfeld darauf reagiert?
Jonas: Unterschiedlich. Meine engen Freunde waren cool damit, auch wenn einige es zunächst als „Phase“ abgetan haben. Das hat mich richtig wütend gemacht, weil es meine Gefühle nicht ernst genommen hat. Im Fußballteam habe ich das Thema lange gemieden. Die Macho-Kultur dort macht es wirklich schwierig.
GayCrew.de: Du hast gesagt, dass du aktuell eine Freundin hast, aber dich stärker zu Männern hingezogen fühlst. Warum ist das so?
Jonas: Es ist einfacher. Ich liebe meine Freundin, aber gesellschaftlich ist eine heterosexuelle Beziehung weniger kompliziert – vor allem im Fußball. Mit einem Mann würde ich sofort für Gerede sorgen und vielleicht sogar Diskriminierung erfahren.
GayCrew.de: Fühlst du dich dadurch manchmal unauthentisch?
Jonas: Ja, oft. Ich habe das Gefühl, einen Teil von mir zu verstecken. Meine Freundin weiß, dass ich bi bin, und das hilft. Aber ich wünsche mir, eines Tages komplett offen leben zu können.
GayCrew.de: Wie ist das Klima in der Kreisliga?
Jonas: Leider nicht sehr offen. „Das ist ja schwul“ ist ein Satz, den man ständig hört – auch wenn es oft als „Spaß“ gemeint ist. Aber hinter solchen Aussagen steckt eine Haltung, die zeigt, dass viele Spieler echte Probleme damit hätten, mit queeren Teamkollegen offen umzugehen.
GayCrew.de: Was wünschst du dir von der LGBTQ+-Community?
Jonas: Mehr Akzeptanz. Ich habe oft das Gefühl, als bisexueller Mann „nicht queer genug“ zu sein, besonders wenn ich eine Frau date. Es wäre schön, wenn die Community uns genauso unterstützen würde wie andere Identitäten.
GayCrew.de: Welche Botschaft möchtest du anderen bisexuellen Menschen mitgeben?
Jonas: Bleibt euch selbst treu. Es ist okay, wenn ihr nicht alles offen zeigen könnt – Hauptsache, ihr verliert euch nicht selbst. Sucht euch Menschen, die euch akzeptieren, und denkt daran: Eure Identität ist genauso wertvoll wie jede andere.
Unsichtbarkeit: Ein strukturelles Problem
Jonas’ Geschichte zeigt, wie unsichtbar bisexuelle Menschen oft bleiben – nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch innerhalb der LGBTQ+-Community. Diese Unsichtbarkeit hat weitreichende Folgen:
- Mentale Gesundheit: Studien zeigen, dass bisexuelle Menschen häufiger unter Depressionen und Angststörungen leiden.
- Beziehungen: Das ständige Erklären und Rechtfertigen der eigenen Identität ist belastend.
- Community-Unterstützung: Viele Bi+ Personen fühlen sich in queeren Netzwerken nicht willkommen.
Wie können wir Sichtbarkeit schaffen?
Es gibt konkrete Ansätze, um Bisexualität sichtbarer zu machen und Vorurteile abzubauen:
- Repräsentation in Medien: Bisexuelle Charaktere in Filmen, Serien und Büchern helfen, Stereotype zu durchbrechen.
- Aufklärung und Bildung: Workshops und Kampagnen über Bisexualität fördern das Verständnis in allen Lebensbereichen.
- Gezielte Förderung: LGBTQ+-Organisationen sollten aktiv Räume schaffen, in denen Bi+ Personen sich repräsentiert fühlen.
Ein positives Beispiel ist die jährlich stattfindende „Bi Visibility Week“, die bisexuellen Menschen eine Plattform bietet und ihre Herausforderungen in den Fokus rückt.
Fazit: Eine Community für alle
Bisexualität verdient einen festen Platz in der Mitte der LGBTQ+-Community, nicht am Rand. Geschichten wie die von Jonas verdeutlichen, wie wichtig es ist, Vorurteile zu überwinden und alle Facetten queerer Identität zu feiern. Sichtbarkeit ist mehr als ein Recht – sie ist die Grundlage für echte Gleichberechtigung. Gemeinsam können wir daran arbeiten, dass niemand in unserer Community unsichtbar bleibt. Denn nur in einer wirklich inklusiven Gemeinschaft kann jeder so sein, wie sieer wirklich ist.